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Diskriminierungsprävention im kommunalen Wohnbau der Stadt Wien Wohnservice Wien

Ein Punktesystem, Transparenz zur Rangfolge in der Bewerbung und ein systematisches Diversitätsmanagement schaffen die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen für diskriminierungsfreie Vermietung im geförderten Wohnbau.

Das Wichtigste in Kürze

Art des Wohnungsmarktakteurs:
Kommune / Land
Diskriminierungsmerkmale:
Sozioökonomischer Status
Durchführung:
Wien seit 2000
Weitere Maßnahmen gegen Diskriminierung im Wohnungswesen:

Kooperation mit dem Wohnfonds Wien und den Bauträgern; Nachbarschaftsarbeit und Mediation; Mieterberatung

Kontakt

Mag. Isabella Jandl - Prokuristin im Wohnservice Wien, Bereichsleitung Koordination Beratung E-Mail: isabella.jandl@wohnservice-wien.at Telefon: +43 124 503-25 811

Angaben zum Wohnungsmarktakteur

Die Wohnservice Wien gGmbH wurde im Februar 2000 gegründet, seit 2017 ist sie gemeinnützig. Sie hat unter anderem die Aufgabe, geförderte Wohnungen aus dem Kontingent der Stadt Wien zu vergeben. Unter dem Dach der Wohnservice Wien werden von der Wohnberatung Wien unentgeltlich Serviceleistungen angeboten. Mit circa 220.000 Gemeindewohnungen und mehr als 200.000 Wohnungen im geförderten Wohnbau verfügt Wien über ein im europäischen Vergleich hohes Angebot im sozialen Wohnungsbau. 60 Prozent der Wiener*innen leben in einer geförderten oder einer Gemeindewohnung (Wohnservice Wien 2021). Seit 2010 ist auch der wohnpartner als ein Träger der Gemeinwesenarbeit Teil der Wohnservice Wien gGmbH und für die Nachbarschaftsarbeit und Konfliktmediation im Gemeindebau zuständig. Hinsichtlich seines Diversitätsmanagements und der Prävention von Diskriminierung ist die Wohnservice Wien gGmbH berichtspflichtig im Integrations- und Diversitätsmonitor der Stadt Wien.

Ausgangslage und Motivation

Die Förderung des Wohnungsneubaus durch den Staat hat in Wien eine lange Tradition seit 1910, ausgehend vom ‚Wiener Modell‘ des Gemeindebaus. Heute sind die zentralen Grundlagen für leistbare Mieten und gegen strukturelle Diskriminierung das Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz (WWFSG 1989) und das Vier-Säulen-Modell der Wohnbauförderung. Sie bilden den Rahmen für die „Angebotsverpflichtung“ für Bauträger, die geförderten Wohnbau errichten. Ein Drittel ihrer Wohnungen (beziehungsweise 50 Prozent der ‚Smart Wohnungen‘) sind an Wohnservice Wien mit einem ‚Belegungsrecht‘ zu übergeben. Neben der Gesetzgebung und den Instrumenten der Wohnbauförderung definiert das Bundesgesetz über die Gleichbehandlung einen Antidiskriminierungsauftrag im Bereich des Wohnens, den die Wohnservice GmbH erfüllen muss. Im Bundesland Wien ist neben der ethnischen Herkunft explizit auch eine Diskriminierung „aufgrund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat“, untersagt (Arbeiterkammer Wien, o. J.). Darüber hinaus positioniert sich die Stadt Wien in ihrer Evaluation der Zielerreichung der Wiener Integrationspolitik (Integrations- und Diversitätsmonitor) wie folgt gegen herkunftsbezogene oder rassistische Diskriminierung: „Integrationspfade sind unweigerlich immer auch mit Wohnkarrieren verbunden. Migrant*innen müssen am Zuwanderungsort oftmals bei null beginnen. Integrationspolitik im Wohnbereich bedeutet daher vor allem, zugewanderten Menschen trotz ihrer unter Umständen erschwerten Startbedingungen bestmögliche Chancen auf qualitätsvollen und leistbaren Wohnraum einzuräumen. Ihr Leitgedanke muss der gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Zugang zu allen Sektoren des Wohnungsmarktes sein“ (siehe weitere Materialien: Stadt Wien, 2020). Für die Zielerreichung der Integrationspolitik und Evaluation werden dabei folgende Indikatoren benannt: Verteilung der Wiener Bevölkerung über die Segmente des Wohnungsmarkts (das heißt Prüfung der Rechtssicherheit des Wohnens), Pfade am Mietwohnungsmarkt: Entwicklung der Wohnfläche und Wohnkosten pro Kopf (das heißt Überprüfung der Wohnstandards und der Leistbarkeit des Wohnens) und die Verteilung der Teile der Wiener Bevölkerung über das Stadtgebiet (das heißt Analyse räumlicher Konzentrationen). Im Diversitätsmonitor wird auf der Basis von definierten Diversitäts-Benchmarks nachvollzogen, inwieweit Dienstleistungen und Services, Personalpolitik und organisatorische Strukturen an eine in soziokultureller Hinsicht vielfältige Stadt angepasst wurden.

Maßnahmenbeschreibung

Bei der Wohnraumvergabe im geförderten Wohnbau werden 30 Prozent der geförderten Wohnungen durch die Wohnservice Wien gGmbH vergeben. Dabei fällt für die Haushalte die Entrichtung eines Eigenmittelbeitrags an, der für viele Menschen niedriger Einkommensklasse eine erhebliche Barriere für den Zugang zu gefördertem Wohnungsbau darstellt. Dieser gegebenenfalls strukturellen Diskriminierung wirken besondere Kreditkonditionen entgegen, zum Beispiel für Alleinerziehende. Für den Großteil der kommunalen Sozialwohnungen (Wiener Gemeindebau) hingegen sind keine Eigenmittel erforderlich. Die Einkommensgrenzen für den Zugang zu geförderten Mietwohnungen liegen relativ hoch, das heißt, circa 75 Prozent der Wiener Haushalte haben potenziell Zugang zum geförderten Wohnungsbau. Damit entsteht ein Zielkonflikt zwischen sozialer Treffsicherheit und sozialer Mischung. Eine Zugangsbeschränkung auf ausschließlich einkommensschwache Haushalte würde jedoch das Diskriminierungsrisiko von gegebenenfalls von Mehrfachdiskriminierung in anderen Segmenten des Wohnungsmarkts betroffenen Schwellenhaushalten erhöhen.

Auf der Internetseite von Wohnservice Wien (https://wohnberatung-wien.at/) werden alle verfügbaren geförderten Wohnungen mittels eines Zufallsgenerators zu einem beliebigen Tageszeitpunkt für 48 Stunden online gestellt, für die sich Interessent*innen gemäß ihren Förderberechnungen anmelden können. Es ist möglich, sich gleichzeitig für bis zu zehn Wohnungsbauprojekte und drei ausgesuchte Wohnungen anzumelden – auch für noch im Bau befindliche Projekte. Die Reihung der Interessierten für eine geförderte Wohnung erfolgt nach dem Gültigkeitsdatum des ‚Wiener Wohn-Tickets‘. Interessent*innen für eine geförderte Wohnung oder eine Gemeindewohnung, die bereits länger als fünf Jahre in Wien leben, erhalten einen „Bonus“ bei der Vormerkung. Dieser beträgt pro fünf Jahre Wohnzeit in Wien drei Monate – insgesamt aber nicht mehr als neun Monate. Nach dem Anmeldeschluss wird die Wohnung zuerst den Interessierten mit dem ältesten Wohnticket-Gültigkeitsdatum angeboten. Nach Prüfung ihrer Dokumente und Erfüllung der Förderkriterien erhalten sie einen Vergabeschein, der sie legitimiert, den Vertrag mit dem Bauträger zu unterzeichnen (Wohnberatung Wien, 2018). Dieses automatisierte Reihungsverfahren verhindert eine gezielte Steuerung der Zusammensetzung der Haushalte (‚social engineering‘) im geförderten Wohnbau, für den die Stadt Wien ein Belegungsrecht ausübt: auf der Ebene der Wohngebäude, einer Nachbarschaft (Grätzel), eines Quartiers. Die Transparenz über das Priorisierungskriterium Dauer der Wohnungssuche über das Wiener Wohn-Ticket macht den Vergabeprozess für alle nachvollziehbar. Für den Erhalt des seit dem 1. Juli 2015 eingeführten Wiener Wohn-Tickets, das als ‚Eintrittskarte‘ zum geförderten kommunalen Wohnungsangebot gilt, müssen Bewerber*innen mindestens 18 sein, zwei Jahre ihren Hauptwohnsitz an der aktuellen Adresse in Wien haben, die österreichische Staatsbürgerschaft oder einen gleichgestellten Status haben (das heißt sich seit fünf Jahren ununterbrochen und legal in Österreich aufhalten und eine Prüfung des Österreichischen Integrationsfonds nachweisen) und sie dürfen die Einkommenshöchstgrenze nicht überschreiten.

Die Wohnservice Wien hat die internationale Charta der Vielfalt unterzeichnet und damit ein nach innen und außen gerichtetes Statement für ein zielgerichtetes und umfassendes Diversitätsmanagement gegeben. Dieses bildet sich in seinem Leitbild und seiner Vision ab, im Verhaltenskodex des Unternehmens, in den Führungsleitsätzen sowie auf den „Wertetafeln“ der Wohnberatung und in den „wohnpartner-Grundsätzen“. Eine Diversitätssteuerungsgruppe – bestehend aus Abteilungsvertreter*innen und Kund*innen – trifft sich achtmal jährlich. Eine Sitzung, an der die Geschäftsführung beteiligt ist, widmet sich dem Handlungsplan im Diversitätsmanagement. Zudem wird Diversitätsmanagement als Bestandteil der Personalentwicklung am Willkommenstag für neue Mitarbeiter*innen, bei allen internen Mitarbeiter*innenveranstaltungen und bei internen Befragungen routinemäßig thematisiert.

Für Diskriminierungsbeschwerden existieren festgelegte Ablaufverfahren und Ansprechstrukturen auf Ebene der Bereichsleitungen oder Geschäftsleitung. Darüber hinaus bietet das Unternehmen im Konfliktoder Diskriminierungsfall Mitarbeiter*innen, aber auch Betroffenen Unterstützung durch die eigene Betriebsärztin an. Die Prävention von Diskriminierung auf der Ebene der Vergabe schließt ein Diskriminierungsrisiko im nachbarschaftlichen Miteinander noch nicht aus, hier greift das Diversitätsmanagement. Im Wiener Gemeindebau, dem kommunalen Wohnsegment mit dem höchsten Anteil der sozial benachteiligten Bewohner* innen und hohem Bedarf an präventiver Nachbarschaftsarbeit für eine gute Lebensqualität für alle, bietet der Geschäftsbereich wohnpartner mit über 150 Beschäftigten daher eine professionelle Bearbeitung von – gegebenenfalls auch diskriminierungsrelevanten – Konflikten im Wohnumfeld der Wiener Gemeindebauten an. Bewohner*innen werden dabei unterstützt, Konflikte in Eigenverantwortung zu lösen. Der Geschäftsbereich wohnpartner hatte im Rahmen der Konfliktbearbeitung im Jahr 2021 insgesamt 120.172 Kontakte (PID Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien, 29.12.2021).

Stimmen aus der Praxis und Wirksamkeit

Einige Stimmen aus der Forschung und der Mieter*innen-Selbstorganisationen kritisieren eine institutionelle Diskriminierung Zugewanderter durch den ‚Wien-Bonus‘ und die ‚sogenannte Integrationsprüfung‘ (Gruber/Franz, 2018: 99). Dazu verweist Isabella Jandl, Prokuristin bei Wohnservice Wien, jedoch auf die aktuell erfolgte Absenkung der Zugangshürden. Auch die Empfehlungen der Gleichbehandlungsanwaltschaft für eine diskriminierungsfreie Vermittlung von Wohnraum (2019) geben einen Hinweis auf ein geringes Diskriminierungsrisiko im Vergabeprozess der Wohnservice Wien gGmbH. Sie richten sich an Makler* innen und Bauträger, nicht aber an den kommunalen Dienstleister Wohnservice Wien.

Der Diversitätsmonitor attestiert der Wohnservice Wien GmbH eine Vorreiterrolle hinsichtlich vorbildlicher Maßnahmen im Diversitätsmanagement, insbesondere im Bereich der Organisationsentwicklung (Stadt Wien, 2020). In der Arbeit von wohnpartner in der Nachbarschaft spielen – so die Einschätzung von Jandl – diskriminierende Haltungen und Äußerungen insofern eine große Rolle, „als sie in jedem Fall angesprochen und bearbeitbar gemacht werden sollen. Die eingesetzten mediativen Konfliktlösungsmethoden sind auch für diskriminierungsrelevante Nachbarschaftskonflikte effektiv. Konfliktpartner*innen sind in Einzelgesprächen vorab zu überzeugen, dass eine Begegnung auf Augenhöhe eine wichtige Voraussetzung für eine Konfliktlösung ist.“ Prävention von Diskriminierung gehört für Jandl zu den Grundvoraussetzungen für gute Nachbarschaft und Wohnraumbewirtschaftung: „Prävention in diesem Bereich fängt ja schon beim Einzug an. Wir sind der Meinung, dass das nicht der Hauswart oder Hausbetreuer alleinig leisten kann, weil er Eigentümervertreter ist.“ Maßnahmen zur Integration aller neu zuziehenden Haushalte in Wohnanlagen (Einzugsbegleitung) – so Jandl – müssten eine neutrale Stelle leisten. Und es sei „undenkbar, die Einzugsbegleitung (zum Beispiel aus Kostengründen oder aufgrund bestimmter Zuschreibungen) auf einzelne Gruppen zu fokussieren – das wäre aus unserer Perspektive der Beginn von Diskriminierung“.

Einbettung der Maßnahme

Die Mitarbeiter*innen von wohnpartner erhalten keine spezifische Antidiskriminierungsschulung. Es gibt allerdings eine Reihe von Pflichtschulungen, bei denen dieses Thema mitschwingt, so eine zweitägige Diversity- Schulung durch die Austrian Society for Diversity, eine Grundschulung zu den fachlichen Leitlinien und zur Arbeitshaltung von wohnpartner (beides Pflichtmodule) und ein Pflichtmodul zum Umgang mit angstbesetzten Situationen. Der Betrieb von acht Grätzelzentren (Grätzel: Stadtteil/Kiez) wirkt insbesondere für Menschen, deren sozioökonomische Verhältnisse eine mit Kosten verbundene Nutzung von gemeinschaftlich genutzten Flächen in und außerhalb von Wohngebäuden nicht zulassen, antidiskriminierend.

Tipps für die Übertragung

Die Übertragung der Vergabepraxis des Wohnservice Wien erfordert eine politische Entscheidung in Kommunen mit kommunalen (beziehungsweise in den Stadtstaaten landeseigenen) Unternehmen. Sie erfordert auch Belegrechtstrukturen oder das Etablieren solcher Rechte der Kommune in den eigenen und/oder im sozialen Wohnungsbau geförderten Beständen. Zusätzlicher Aufwand entsteht durch eine entsprechende Programmierung der jeweiligen Online-Vergabesysteme. Ein entsprechendes Diversity-Management kann von der Kommune in eigenen Beständen nur eingefordert werden, wenn entsprechende politische Beschlüsse vorliegen und Leitbilder entwickelt werden. Eine Einflussnahme kann hier vor allem über die Aufsichtsräte erfolgen, aber auch über eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit der Kommune zum Handlungsfeld beziehungsweise den Auflagen, die alle lokalen kommunalen Unternehmen in diesem Bereich zu erfüllen gehalten sind.

Das offizielle Logo von Wohnservice Wien

Weiterführende Materialien

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